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Biografie

Kunst braucht Sensibilität. Deshalb, und weil Künstler ihre Energie ganz auf die Kunst und kaum auf die Anforderungen des Alltags verwenden, leiden sie stärker als ihre Mitmenschen unter widrigen Lebensbedingungen. Das besonders in seiner ersten Hälfte so dröhnende 20. Jahrhundert stellte das Umfeld für das Leben eines ungewöhnlich empfindsamen Malers: Karl Wolf. Mit dem Schwung der Jungend, getragen von Erfolgen und großer Anerkennung durch Kollegen, Publikum und Kritiker erobert er sich zwar schnell einen festen Platz im Kunstbetrieb. 1929 und in den frühen 30er Jahren sehen wir ihn auf zahlreichen Ausstellungen in ganz Deutschland. Aber dieses extrovertierte Leben widerspricht seinem stillen Wesen und seine Kunst passt immer weniger in die staatlich zugelassene Schablone. Karl Wolf zieht sich mehr und mehr zurück, ja es wird sogar schwierig, die für die Existenzsicherung nötigen Kontakte zum Kunstbetrieb aufrecht zu erhalten. Deshalb zeigt seine Biografie in den äußeren Daten eine frühe Flutwelle und ein lang gezogenes Verebben, während sich die künstlerische Entwicklung von ihrer frühen Reife stetig zu noch subtileren Ausdrucksformen steigert.

1901 - 1926 Kindheit und Berufssuche

Karl Wolf wird 1901 in München geboren und wächst in der Adalbertstraße auf, sozusagen zu Füßen der Kunstakademie. Der unbändige Drang zum künstlerischen Ausdruck bricht sich sehr früh Bahn. Er schreibt: "kaum dass ich laufen konnte, habe ich zu malen ..., d.h. mit einem Stück Kreide den Fußboden der Wohnung mit Vögeln zu verschönern (begonnen)". Über die späten Jugendjahre wirft der 1. Weltkrieg seine desillusionierenden Schatten. Nach dem Abitur sucht Karl Wolf einen Beruf. Er selbst strebt selbstverständlich zur Malerei - frühe aber künstlerisch fertige und für Karl Wolf schon ganz typische Landschaften des "Burglauer Zyklus" sind auf 1924 datiert -, aber der Vater möchte den Sohn lieber in einem soliden Brotberuf sehen und setzt durch, dass Karl das Studium der Land- und Forstwirtschaft in Weihenstephan aufnimmt. Doch er ist den körperlichen Anstrengungen dieses Berufs nicht gewachsen und schließlich lässt sich der Vater umstimmen: Anfang 1926 bewirbt sich Karl Wolf an der Akademie der Schönen Künste in München und wird in die Malklasse von Franz von Stuck aufgenommen.

1926 - 1928 Studium

Stuck war damals 63 Jahre alt, sein Beitrag zur Erneuerung der Kunst lag Jahrzehnte zurück: 1892 hatte er mit Trübner und anderen die Münchner Sezession gegründet. Doch bereits vor 1914 entwickelte sich die Moderne rasant und über die Köpfe ihrer ehemaligen Förderer hinweg schließlich unter den Eindrücken des Krieges und der Kriegsfolgen hektisch, geradezu explosiv. Der ehemalige Vorkämpfer für die Moderne, Stuck, stand inzwischen in einem nur noch bedingt geschützten und als traditionalistisch geltenden Winkel. Wenn also Stuck Karl Wolf mit der Bemerkung "...schon in diesem frühen Stadium ist Ihre künstlerische Reife weit ausgeprägt; was soll ich Ihnen noch beibringen..." in sein Atelier aufnimmt, dann schwingt darin sicher auch leichte Resignation über die eigene Position mit. Vor allem aber bringt der Meister eine ungewöhnliche Anerkennung für die Fähigkeiten seines neuen Schülers zum Ausdruck.

Karl Wolf steigt dieses Lob nicht zu Kopf, jetzt, da er endlich darf, studiert er alles sehr gründlich: Kunstgeschichte, Maltechnik, Humananatomie an der Anatomischen Anstalt, Tieranatomie an den Tierärztlichen Instituten, er beobachtet jahrelang Verhalten und typische Bewegungsmuster von Tieren im Tierpark Hellabrunn und radelt immer wieder zu Landschaftsstudien ins Isartal.

1928 stirbt Stuck, für Karl Wolf, der ihn gemeinsam mit 3 weiteren Schülern zu Grabe trägt, viel zu früh. Der Schüler Wolf meint, er habe noch nicht ausgelernt. Dabei wird er bereits als großes Talent mit eigenem Profil wahrgenommen, ja die Stadt München bietet sogar an, sich für ihn an der Akademie einzusetzen, damit er eine eigene Professur erhält. Karl Wolf lehnt ab. Aus Bescheidenheit? Sicher. Vielleicht schreckt ihn auch ein wenig das grelle Licht eines solchen Amtes. Vor allem kommt für ihn dieses Angebot zu früh. Und so wird er nicht akademischer Lehrer sondern erneut Student: von nun an nimmt er Zeichenunterricht bei dem Porträtisten Ludwig Angerer, in dem ihm ein lebenslanger Freund erwächst.

Aus diesen Jahren stammt das Porträt, das Ludwig Angerer von Karl Wolf angefertigt hat. Da sitzt ein eleganter junger Mann vor uns, nachdenklich im Gesichtsausdruck, man kann sich gut vorstellen, dass er es liebte, im Freundeskreis zu musizieren, - Karl Wolf spielt Cello und schreibt über sich: "Musik und Malerei gingen eine unzertrennliche Ehe ein".

1929 - 1942 Karl Wolf tritt an die Öffentlichkeit

Vielleicht ist es Angerers Einfluss zu verdanken, vielleicht sind es wirtschaftliche Überlegungen, vielleicht ist es das normale Streben jedes Künstlers nach Anerkennung, - jedenfalls nimmt Karl Wolf ab 1929 eine rege Ausstellungstätigkeit in ganz Deutschland auf.

1929: Düren, Düsseldorf, Coburg, Eisenach; 1930: München (Künstlervereinigung Luitpold-Gruppe im Kunstverein), Zwickau, Mühlhausen, Hof, München (Staatliche Graphische Sammlung), München (Galerie Heinemann), Augsburg; 1931: München (Galerie Heinemann), Eisenach, München (Münchner Neue Sezession im Glaspalast); 1932: Bautzen, Dresden, Augsburg, Stuttgart, Ulm, Zwickau, Chemnitz; 1933: München (Neue Kunstausstellung im Alten Museum), Erlangen, Düsseldorf, Köthen (Dürerbund). Dann nimmt die jährliche Zahl von Ausstellungen ab (1934: München/Große Kunstausstellung, München/Kunsthaus Hirrlinger, Eisenach, Bautzen Sonderausstellung; 1935: Leipzig, Karlsruhe, Eisenach. In den Jahren 1936 (Ulm) und 1937 (Heilbronn) beschickt Karl Wolf nur noch je eine Ausstellung, 1938 nur zwei (Bamberg und Karlsruhe).

Zwar fanden Kritiker der (partiell noch freien) Presse zu all diesen Ausstellungen deutliche Worte hoher Wertschätzung. Aber warum stellt Karl Wolf nicht weiterhin im großen Umfang aus?

Es ist kaum anzunehmen, dass Wolfs naturnahe Bilder direkt Anstoß erregten, aber sie passten auch immer weniger in das staatlich geforderte Klischee. Andere, erfolgsversessene Künstler drängten sich in den Vordergrund: als Monströses honoriert wurde, bevorzugte Wolf das kleine Format, als die Parole völkisch und heroisch hieß, zeigten Wolfs Bilder der ländlichen Arbeitswelt eher deren Armseligkeit und Mühsal, ja nicht einmal Wolfs Tiere waren stolz und mächtig, wie es die jagdfreudigen Bonzen gerne hatten, sondern schlicht, so wie sie von Natur aus eben sind. Kurz, die immer lauter werdende Zeit des Nationalsozialismus war für den leisen Künstler Wolf eine ausgesprochen schlechte Zeit, in der er immer mehr verstummt.

Er reduziert seine Außenkontakte auf wenige zuverlässige Freunde. Eine eingeschränkte Ausstellungstätigkeit ist ihm weiterhin möglich (1939: Bremerhaven, Gießen, Düsseldorf; 1940: München (Maximilianstraße); 1942: München/Kunstverein, Brandenburg). 1940 und 1942 beteiligt er sich auch an der Ausschreibung des Lenbachpreises.

Zum Glück bleiben ihm Kriegs- und Ersatzdienst erspart, freilich führt er als gerade eben geduldeter freischaffender Künstler ein Leben im Schatten.

1942 - 1953 Familiengründung und Evakuierung

In dieser Phase allgemein düsterer Aussichten lernt Karl Wolf seine spätere Frau Walburga kennen, die nach der Hochzeit 1943 noch volle 50 Jahre zu ihm stehen wird. Das junge Paar wohnt bei den Schwiegereltern in Obermenzing, 1944 wird der Sohn Ingo geboren und (in Münchens vielleicht schönster Kirche, der Blutenburg-Kapelle) getauft.

Weitere Lichtblicke. 1942/43 erhält Karl Wolf den Auftrag, die Gräfin Arco-Zinneberg zu porträtieren, 1944 auch deren Sohn. Dazwischen gewinnt er den Lenbachpreis mit dem Porträt "Maria Adelmüller" , das die Stadt München ankauft. Von dem überaus malerischen Ensemble Blutenburg, Pippinger Kirche und Würm fertigt Karl Wolf in diesen kurzen Jahren zahlreiche Tuschezeichnungen an.

Dann schlägt der Krieg zu: 1944 wird die Familie ausgebombt und auf Bauernhöfe im Chiemgau evakuiert. Evakuierte Städter wurden auf dem Lande nicht wirklich freudig begrüßt, sie waren eine Last. Zudem waren die Möglichkeiten der Bauern beschränkt, und so wurde den Städtern gerade mal das zugestanden, wozu man verpflichtet war. Karl Wolfs Familie wird auf zwei Höfe verteilt und ein Platz für die Malarbeit findet sich nur in einem weiteren Hof, der noch dazu ein gutes Stück entfernt liegt.

Der Landschafter Karl Wolf auf das freie Land verschlagen - eigentlich kann das trotz aller Beschwernisse nur gut ausgehen. Und so entstehen in den Jahren 1944 bis 1953, die die Familie in der Umgebung von Trostberg verbringt, eindrucksvolle Aquarelle des Chiemgauer Bauernlandes, oft mit dem Blick auf die (zumindest aus der Ferne des Voralpenlandes) sanft gerundeten Ketten der Bayerischen Berge.

1953 - 1967 Zurück in München

Auch nach der Rückkehr nach München, wo die Familie in Sendling eine Wohnung findet, lassen die räumlichen Verhältnisse kein Atelier in der Wohnung zu. Karl Wolf behilft sich mit einem Raum in der elterlichen Wohnung in der Amalienstraße. Dorthin zieht schließlich 1960 die ganze Familie, Karl Wolf lebt und malt hier bis zu seinem Tode.

Zerstörtes München. Der Sohn erinnert sich, dass sein Vater noch Jahre später immer wieder vom zerbombten München sprach, "wie grauenhaft das ganze Geschehen war, und wie sehr es ihm auf der Seele lastete. Vor allem, da er ein überzeugter Pazifist war, ...konnte er nicht verstehen, dass Menschen einander solches Leid zufügten". Aber Zerstörung bedeutet auch Wiederaufbau. Und Karl Wolf steht im Zenit seines Lebens. Und der Wiederaufbau benötigt Gestaltung. Freilich hatten sich auch die künstlerischen Werte und Einstellungen sprunghaft geändert.

Nach den Jahren der Unterdrückung war in Deutschland auch die Kunst wieder frei geworden. In den Nachkriegsjahren überschlagen sich manche Entwicklungen, was einem Karl Wolf unbegreiflich ist, ihm, der nie Zweifel daran hatte, was (für ihn) gut und richtig war. Mit den künstlerischen Strömungen der Nachkriegszeit kann und will er nicht konform gehen. Er bleibt wie er war.

Dennoch erhält auch er seine Chancen. Manche namhafte Architekten, z. B. Prof. Döllgast oder Stadbaurat Schott, erinnern sich seiner gediegenen Meisterschaft in der Freskomalerei. Er erhält auch Aufträge für Glasfenster.

Andere übertragen ihm die künstlerische Veredelung von Alltagsgegenständen (Stoffe, Porzellan, Möbel, besonders Schränke und Truhen), die überall wieder beschafft werden müssen. So beginnt eine fruchtbare Phase von anderthalb Jahrzehnten, in der sich seine Kunstfertigkeit auf ganz neuen Feldern bewährt.

Fresken aus seiner Hand zieren noch heute manches Haus im Allgäu. Dem Münchner Tierschutzverein spendet er ein großes Wandgemälde, wofür ihm 1957 die Stadt ihre goldene Ehrennadel zuerkennt. Mitte der 60er Jahre stattet er zwei Kirchen mit Kreuzwegstationen aus (St. Joseph in Selb/Plötzberg, St. Nikola in Landshut), in der Erlöserkirche in Landshut gestaltet er einen Totentanz.

1967 - 1993 Lebensabend

In den verbleibenden Jahren wendet sich Karl Wolf noch einmal mit großer Intensität dem Hauptthema seines Künstlerlebens zu, der malerischen Erfassung von Tieren und Blumen. Sein Ziel bleibt es, das Schwebende, das Nichtselbstverständliche der belebten Natur in möglichst einfacher Bildsprache darzustellen und dem Betrachter zugänglich zu machen. Seine Mittel verändert er. Die Aquarelle in ihrer wohl abgestuften Tönung werden noch heller, vor allem aber entwickelt er seine Pastelltechnik weiter. Und es gelingt.

In den Blumen, Pferden, Vögeln dieser letzten Schaffensperiode erreicht er die Vollendung jener Meisterschaft, die ein Kritiker der Bautzener Ausstellung bereits 1934 als das herausragende Charakteristikum der Kunst von Karl Wolf erkannt hat, der von einer "fast unheimlichen Lebendigkeit" der dargestellten Tiere sprach.

Diese Bilder malt er für sich. Er schickt sie auf keine Ausstellung, zeigt sie fast nur noch im Familien- und Freundeskreis. Lediglich das Kunsthaus Bühler in Stuttgart erhält bis 1990 Gemälde von Karl Wolf, 1993 stirbt der Künstler.

 

Prof. Dr. Thomas Heinzeller
Mai 2006

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